Modena Week-End:logo Innenhöfe am Ende der Korridore - Im privaten Grün des Stadtzentrums


    Betrachtet man Modena von oben, so zeigt sich die Stadt auf den ersten Blick, wie auch auf den vielen Photos zu erkennen ist, auf Grund der Dachziegelfarbe als roter, von gewundenen Straßen durchzogener Fleck. Bei näherem Hinsehen fallen jedoch in der Mitte der großen bebauten Flächen die 'schwarzen Löcher' der Innenhöfe sowie unzählige Grünflächen auf. Auch der alte Stadtkern ist folglich reich an Vegetation. Die Gärten sind allerdings meistens versteckt. Wir kennen sie oftmals nicht, weil wir es immer eilig haben oder aus natürlicher Zurückhaltung - schließlich handelt es sich um das Eigentum anderer - unsere Neugier nicht befriedigen. Man kann diese Welt unschwer entdecken, indem man aufmerksam durch die Straßen geht und, von der Neugier, einer der Haupttugenden des Touristen, getrieben, durch die Korridore in die Gärten eintritt.

    Corso Canalgrande Nr. 81.
    Secchia und Panaro im Palazzo Sabatini Carbonieri

    Derselbe Korridor, den man durchqueren mußte, um die Treppe zur Stadtbibliothek hinaufzusteigen, bevor letztere in den Palazzo S. Margherita verlegt wurde, führt auch in einen Innenhof, welcher mit den beiden eindrucksvollen, im Hintergrund in Nischen plazierten Statuen eine gewisse Pracht ausstrahlt. Die stattliche Frau, die einen Fuß auf einen Eimer (it. secchia) setzt, und der bärtige Gigant, dessen eigentümliche Pose an einen Tanzschritt erinnert, sind wahrscheinlich menschenähnliche Darstellungen der beiden Flüsse Secchia und Panaro.

    Die Figuren heben sich von dem Hintergrund ab, der aus einer vorgetäuschten schmiedeeisernen Vegetation besteht: hinter der Frau ein Ahorn, hinter dem Mann Büschel länglicher, lanzenförmiger Blätter. Ein Werk von Malagoli, dem Handwerker und Künstler, der meisterhaft Schmiedeeisen verarbeitete und im 18. Jahrhundert in Modena tätig war.

    Innenhof des Palazzo Cesis

    Corso Canalgrande Nr. 88.
    Der Palazzo Cesis und die Vorliebe für Bühneneffekte

    Von dem gewaltigen Korridor gehen zwei Treppen aus, von denen die linke die eindrucksvollere ist. Am Ende ihres ersten Treppenlaufs fällt die Statue eines kecken Dienstmädchens auf, das, wie es scheint, im Begriff ist, nach unten zu rutschen, um den Neuankömmlingen mit ihrer langen Kerze zu leuchten. Im 18. Jahrhundert waren Bühneneffekte sehr beliebt, wie die auf den Mauern vorgetäuschten Fenster mit einem nicht existierenden Hintergrund beweisen. Im Korridor fallen die für die Kutschenräder vorgesehenen Furchen aus Marmor auf, welche mit gewöhnlichen Modeneser Flußkieselsteinen eingefaßt sind. Öffnet man das Tor im Hintergrund, betritt man einen kleinen, unerwartet ländlich wirkenden Garten.

    Corso Canalgrande Nr. 90.
    Im Wohnsitz Ciro Menottis Spiele und Illusionen zwischen den Ranken

    Durch den Korridor mit Säulen aus Stuckmarmor gelangt man in den Innenhof, bei dessen Restaurierung nicht der Baustil des im 18. Jahrhundert errichteten Palastes in Betracht gezogen wurde. Aber (und das ist das kleine Wunder) das Gebäude nimmt man fast nicht wahr, da die Mauern intelligenterweise von der amerikanischen Rebe bedeckt sind. Mit Ausnahme einer hohen 'Rhus typhina' (Essigbaum) und eines kleinen Kastaniensbaums handelt es sich bei dem übrigen üppigen Grün des Innenhofs um Topfpflanzen. Und dennoch hat man das Gefühl, in einen reichen, alten, internen Garten, von denen es in den Patrizierhäusern des alten Stadtkerns so viele gibt, einzutreten. Von der linken Korridorseite aus hat man Zugang zu der Treppe, an der verschiedene Epochen ihre Spuren hinterlassen haben: von dem vorgetäuschten Rundfenster aus dem 18. Jahrhundert mit Stuckdekorationen in Form von Eichenzweiggirlanden, Rundbildern mit Kriegshelden, dargestellt mit dem für die '20er Jahre so typischen Pathos, bis hin zu einer Tür, über der eine Gedenktafel mit dem folgenden Wortlaut angebracht ist: "Hier verbrachte Ciro Menotti die Nacht des III. Februar MDCCCXXXI mit seinen heldenhaften Freunden."

    Corso Canalgrande Nr. 96.
    Eine andächtige Athmosphäre, wo sich einst das Oratorium und das "Spital" befanden

    Das heutige "Haus der Familie Tardini" ist von allen umliegenden Gebäuden am niedrigsten. Es besitzt ein Portal, über dem sich ein von einer Girlande umranktes Rundfenster befindet. Neben der Hausnummer erinnert uns die ehemalige Numerierung (d.h. die Nummern 45 und 47) daran, daß dieses Gebäude einst geteilt war: Hier waren das (heute nicht mehr erhaltene) Oratorio delle Stimmate (dt. Oratorium der Wundmale Christi) sowie das von der gleichnamigen Ordensgemeinschaft geführte Spital untergebracht. Durch den etwas dunklen Korridor gelangt man in einen ruhigen, mit Flußkieselsteinen ausgelegten Innenhof, dessen Moos ein Zeichen der Stille und Andacht ist.

    Via Cesare Battisti Nr. 85.
    Ein steinerner Löwe schützt einen als Statussymbol dienenden Innenhof

    Man gelangt unter der Maske eines von Girlanden umgebenen Löwen in einen nüchternen Korridor, in dessen oberen Teil wir klassizistische Büsten finden. Auf dem Fußboden wechseln sich Flußkieselsteine und geometrisch angeordnete Ziegelsteine ab. Auf dem linken Treppenlauf wurden mit Hilfe der Trompe­l'_il-Technik, welche imstande ist, nicht existierende Räume zu erfinden, ovale Fenster vorgetäuscht, deren in Holzleisten eingefaßte Glasscheiben die Illusion noch verstärken. Der große Innenhof und die riesige, unbebaute Fläche erinnern an den nahen Palazzo Ducale und an den Versuch, das gesamte Gebiet so prächtig und reich wie möglich zu gestalten, damit es der Hauptstadt der Este würdig sei.

    Piazza San Domenico Nr. 6.
    Wo die Perspektive mit dem Licht und dem Grün spielt

    Die kleine Öffnung in dem schlichten Portal darf nicht zu einem Trugschluß verleiten: Das gesamte Innere wurde so gestaltet, daß es ausgesprochen hell wirkt. Von dem hellen Farbton der Korridorwände hebt sich das Dunkelgrau der aus Stuck gearbeiteten Gesimse und Muscheln ab, mit denen die Ecken der Decke ausgeschmückt sind.

    Hier dringt das Licht aus dem oberen Teil des Innenhofes durch die breiten Maueröffnungen, das Gitter und die Balustrade und verleiht dem Treppenhaus einen eigenartigen Charakter. Im Innenhof mit planiertem Erdboden ragen aus einem mit Efeu bewachsenen Beet vornehme Magnolien und wuchernde Ailanthusbäume empor. Es ist, damit die gewünschte Wirkung erzielt wird, genügend Grün vorhanden, da nur der Teil des Innenhofs mit dem Beet von der Straße aus zu sehen ist.

    Via Ganaceto Nr. 134.
    Bacchus preist den Wein im Innenhof des Palazzo Molza

    Man ahnt nicht im geringsten, daß das große, in dunklem Ockergelb verputzte, wie eine Werkhalle aussehende Gebäude so viele freie Flächen bietet. Aber hier, im "Neuland" (dem von Ercole II d'Este zu dem vorangehenden Mauerring hinzugefügten nördlichen Teil der Stadt zwischen dem Corso Cavour und dem Bahnhof), neigte man dazu, mit Hilfe nicht bebauter Flächen in den Palästen Pracht vorzutäuschen. An dem Gebäudekomplex, der heute Sitz der Handelskammer ist, wird deutlich, was man in den '70er Jahren unter einer "Gesamtrestaurierung" verstand. Alles ist neu, sauber, funktional: Die Grundstruktur des Palastes ist erhalten geblieben. Verwendung fanden ausschließlich typische Modeneneser Materialien. Man hat den Eindruck, das Gelb und der ockergelbe Farbton, die Flußkieselsteine und die aus Marmor gefertigten Teile seien in dem Würfelbecher eines modernen Zauberers vermischt worden und das Ergebnis sei ein Palast, der zugleich modern und traditionell wirkt. Auf der linken Seite des ersten Innenhofs gewährt ein dreifacher, auf niedrigen Säulen ruhender Laubengang Einlaß in einen zweiten, noch größeren Innenhof. Hier wechseln als Autoparkplätze genutzte Flächen mit großzügigen Zonen ab, die mit Sträuchern und verschiedenen Bäumen - welche nicht sich selbst überlassen waren, sondern nur nach den genauen Vorstellungen des Menschen wachsen durften - bepflanzt sind. In einer Nische auf einer der Außenmauern finden wir Bacchus mit einer Weintraube in der Hand, eine einsame Huldigung an den Wein, die wir irgendeinem der Grafen Molza verdanken.

    Via Caselle Nr. 20.
    Kreuzgänge und hohe Bäume im San-Paolo-Gebäudekomplex

    Eine lange Backsteinmauer, über die die hohen Stämme von Ailanthisbäumen, Paulownien, Eßkastanien, Judasbäumen hinausragen, öffnet sich und gewährt Einlaß in einen sehr großen Innenhof, in dessen Mitte eine gewaltige Esche steht: Ihr Durchmesser ist so groß, daß mehr als drei Personen benötigt würden, wollte man sie umfassen. Der untere Teil des Stamms teilt sich und erreicht eine eindrucksvolle Höhe. Der Baum bildet einen 'Blätterschirm', der so breit ist, daß einige in der Nähe wachsende Linden und Eiben darunter Platz finden. Die jahrhundertealte Esche kann sicherlich Zeugnis von der Geschichte des Gebäudekomplexes ablegen, der zunächst Sitz eines Mönchsordens war und in dem anschließend öffentliche Einrichtungen (Kindergarten und Grundschule) untergebracht waren.

    Durch einen Korridor gelangt man in einen internen Kreuzgang mit einer riesigen Steineiche, die den umliegenden Mauern Schatten bietet. An den Kreuzgang schließt sich ein weiterer kleiner Innenhof mit einem Beet an, in dem ein Bananenbaum -eine Tropenpflanze in einer Umgebung der Potiefebene mit ordentlich angeordneten Cottofliesen und verputzten Wänden - auffällt.

    Der San-Paolo-Gebäudekomplex ist Teil eines enormen Häuserblocks, in dem auch das Gymnasium für Psychologie und Sozialpädagogik sowie das Theaterzentrum San Geminiano untergebracht sind: ein Gewirr von Gebäuden, Kreuzgängen, Durchgängen; eine lebhafte, aus renovierten Strukturen zusammengesetzte Welt der heutigen Stadt.

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